Projekt KI.ASSIST

Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus Mitteln des Ausgleichsfond geförderte Projekt KI.ASSIST - "Assistenzdienste und Künstliche Intelligenz für
Menschen mit Schwerbehinderung in der beruflichen Rehabilitation" ist im April 2019 gestartet und läuft bis März 2022.

Das Projektkonsortium besteht aus

  • dem Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke (BV BFW) als Antragsteller für das Netzwerk berufliche Rehabilitation (NbR) und Projektkoordination,
  • der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke e.V. (BAG BBW),
  • der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e.V. (BAG WfbM)
  • sowie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Mehr zu den am Projekt beteiligten Organisationen erfahren Sie hier: Projektteam

Erstmals wird durch das Zusammenwirken der Projektpartner im Projekt KI.ASSIST systematisch, wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert untersucht, welche Personengruppen an welchen Lern- und Arbeitsorten nachhaltig von einem Einsatz KI-gestützter Assistenzsysteme profitieren können. Dabei steht der Mensch mit seinen Bedarfen im Zentrum des Projekts.

Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Arbeitsschwerpunkte und Arbeitspakete im Projekt. Zugleich stellen diese auch die verschiedenen im Projekt vereinten Perspektiven auf den Einsatz und die Potenziale von Künstlicher Intelligenz in der beruflichen Rehabilitation dar.

Die Projektstruktur - Cluster und Arbeitspakete

Das Projekt KI.ASSIST stellt Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt und an den Anfang aller Überlegungen zum Einsatz von KI-gestützten Assistenzsystemen in der beruflichen Rehabilitation. Von den Menschen her zu denken, bedeutet, dass wir uns im Cluster Personenzentrierung mit einer Reihe von Fragestellungen zu den nachfolgenden Themen auseinandersetzen.

Kompetenzen

Die fortschreitende Digitalisierung und die dadurch vorangetriebene Transformation der Bildungslandschaft wie der Arbeitswelt erfordert neues Wissen und neues Können. Dieses Wissen und die damit verbundenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind die Voraussetzung, um erfolgreich an Bildung teil zu haben, Ausbildungen zu meistern und auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Im Bildungsdiskurs herrscht weitgehende Einigkeit, dass “digitalen Kompetenzen” ein besonders großer Stellenwert zugesprochen werden muss. “Digitale Kompetenzen” sind dabei keinesfalls alternativ zu bisher im Zentrum stehenden “Kernkompetenzen” zu sehen, etwa der sozialen Kompetenzen oder der Selbstkompetenz. Vielmehr gelten sie als Ergänzungen, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich annehmen zu können.

Im Projekt werden digitale Kompetenzen auf zweierlei Art gefördert:

  • Die Fachkräfte und Teilnehmenden der Reha-Maßnahmen vor Ort in den Lern- und Experimentierräumen werden geschult. Hierzu werden modularisierte Schulungsbausteine entwickelt. Im ersten Teil der Schulungen wird das Vokabular, das sich um die Themen “Digitalisierung” und “Künstliche Intelligenz” dreht, praxisnahe und binnendifferenziert vermittelt und erprobt.
  • In einem zweiten Schritt werden anwendungsspezifische Schulungsmodule erarbeitet, die den Teilnehmenden der LER ermöglichen, sich die am jeweiligen Standort zu erprobende Technologie anzueignen, in Gebrauch zu nehmen und ihre Einsatzmöglichkeiten kennenzulernen.

Bei der Konzeption und Durchführung der Schulungen wird das Projekt von einer auf die Entwicklung digital gestützter und inklusiver Bildungsangebote spezialisierten externen Agentur unterstützt. Die Schulungsmodule sowie die Schulungen selbst werden umfassend evaluiert, um Lernerfolge sicher zu stellen. Handlungsempfehlungen werden für die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderung erarbeitet.

Datensouveränität

Im Projekt KI.ASSIST wird das Thema Datensouveränität in den Kontext der Nutzung von KI-gestützten Assistenzsystemen durch Menschen mit Behinderung gestellt. Ziel ist es Guidelines und Handlungsempfehlungen zu Fragen der Selbstbestimmtheit und Datensouveränität von Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen und Behinderungen bei der Nutzung von KI-gestützten Assistenzdiensten zu erstellen. Diese sollen zum einen aufklären und für einen souveränen Umgang mit KI-Technologien sensibilisieren. Dazu werden zum einen Studien und Empfehlungen zu dem Themengebiet ausgewertet, zum anderen werden Interviews mit Datenschutzfachleuten sowie Menschen mit verschiedenen Behinderungsarten geführt, um den Kenntnisstand sowie Bedarfe zu erheben und darauf aufbauend Möglichkeiten für Schulungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen besser einzuschätzen.

Da das Thema Datensouveränität nicht nur beim Endanwendenden liegt, sondern bereits bei der Auswahl der Technologien mitgedacht werden sollte, werden im Zuge des Arbeitspaketes potenziell geeignete KI-gestützte Assistenztechnologien auf ihre unterstützende Rolle untersucht. So erweisen sich beispielsweise Technologien, die datensparsam sind und den Nutzenden eine möglichst hohe Kontrolle über die eigenen Daten geben, als stark unterstützende Technologien für den souveränen Umgang mit KI-gestützten Assistenzsystemen.

Akzeptanz und Motivation

Das Arbeitspaket beschäftigt sich mit der Akzeptanz von KI-gestützten Assistenztechnologien bei Nutzerinnen und Nutzern. Letztere sind einerseits die Menschen mit Behinderungen in den Einrichtungen beruflicher Rehabilitation, die die Anwendung im Lern- und Experimenttierraum testen. Aber auch die Fachkräfte der Einrichtungen kommen ins Spiel, wenn es um die Fragen geht, unter welchen Bedingungen KI-gestützte Technologien bei ihrer Einführung akzeptiert werden, und wie KI-gestützte Technologien zu einem motivierenden Arbeitsumfeld beitragen können.

Wir nähern uns diesen Fragen auf verschiedenen Wegen:

  • Durch Online-Befragungen und Gespräche mit Fachkräften und Menschen mit Behinderungen bei vor-Ort-Besuchen in den Einrichtungen.
  • Neben den Gesprächen wird in allen Lern- und Experimenttierräumen eine nueva-Evaluation durchgeführt. Nueva (=Nutzerinnen und Nutzer evaluieren) ist ein eigenes Evaluationsmodell, um die Qualität einer Dienstleistung zu ermitteln. Es richtet sich an Menschen mit Behinderungen und zeichnet sich dadurch aus, dass auch die Evaluatoren und Evaluatorinnen selbst Lernschwierigkeiten oder Behinderungen haben. Sie arbeiten damit als Experten und Expertinnen in eigener Sache. Die nueva-Evaluation erfolgt in Form einer standardisierten Online-Befragung sowie Interviews.
  • Bestehende wissenschaftliche Erkenntnisse zu Motivation und Akzeptanz im Kontext von Arbeit, KI, und Behinderung beziehen wir laufend in die Projektaktivitäten ein

Selbstbestimmung, Teilhabe und Diversity

Ziel des Arbeitspaketes ist es, unter dem Leitsatz von Diversität, in allen Lern- und Experimentierräumen Chancengleichheit zu fördern.  Dabei legen wir besonderen Wert auf eine partizipative Gestaltung der Lern- und Experimentierräume, um die zum Teil sehr unterschiedlichen Bedarfe der heterogenen Zielgruppe der Menschen mit Behinderungen, aber auch der unterschiedlichen Einrichtungen angemessen berücksichtigen zu können.

Das Arbeitspaket begleitet die Etablierung des Partizipationsprinzips in den Lern- und Experimentierräumen sowie die Umsetzung von Chancengleichheit in den Anwendungsszenarien. Zudem werden einschlägige Veröffentlichungen ausgewertet, um rechtliche Aspekte und den aktuellen Forschungsstand zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung aufzuarbeiten.

Die Befunde fließen zusammen mit den Erfahrungen aus den Lern- und Experimentierräumen sowie den Arbeitsergebnissen aus einer projektbegleitenden Expertengruppe „Inklusive Arbeitswelt mit Künstlicher Intelligenz“ in Handlungsempfehlungen zur Partizipation, Selbstbestimmung und Chancengleichheit beim Einsatz von KI-gestützten Assistenztechnologien für Menschen mit Behinderung in der beruflichen Rehabilitation und auf dem Arbeitsmarkt. Damit setzt sich das Arbeitspaket auch mit dem Gesamtziel des Projekts auseinander, mit Hilfe digitaler Assistenzdienste und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz den Weg (zurück) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu unterstützen und damit die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft nachhaltig zu fördern.

Im Cluster Exploration bringen wir die KI-basierten Assistenztechnologien in ausgewählte Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation darunter drei Berufsbildungswerke, drei Berufsförderungswerke, drei Werkstätten für behinderte Menschen sowie in ein Unternehmen. An insgesamt 10 Standorten erproben Menschen mit Behinderungen und Fachkräfte einige der im Teilbereich Monitoring identifizierten Technologien in sogenannten Lern- und Experimentierräumen (kurz: LER). Hierfür werden zunächst die Bedarfe und Wünsche der Menschen erfragt und Umsetzungsszenarien für die LER mit geeigneten Technologien entwickelt. Anschließend werden die Technologien vor Ort implementiert und von Menchen mit Behinderung beim Lernen und Arbeiten ausprobiert.

Ziel der Exploration ist es, durch die Erprobung vor Ort zu erforschen, wie KI-basierte Technologien Menschen mit Behinderungen in Bildungs- und Arbeitsprozessen und insgesamt bei der Teilhabe am Arbeitsleben unterstützen können. Wir fragen aber auch, welche Kompetenzen, welche Datenschutzregeln und welche Voraussetzungen in den Einrichtungen aber auch insgesamt in der beruflichen Rehabilitation hierfür erforderlich sind. Wichtig ist uns ebenso zu erfragen, wie Menschen mit Behinderungen und Fachkräfte diese Technologien akzeptieren und welche Chancen und Risiken sie sehen.

Begleitet wird die Exploration durch eine externe Evaluation. Im Laufe des Projektes werden unsere Erfahrungen aus der Praxis und unsere Forschungserkenntnisse in Handlungsempfehlungen einfließen, die über die Dialogplattform sowohl Einrichtungen beruflicher Rehabilitation als auch einem interessierten Fachpublikum zugänglich gemacht werden.

Was gibt es an KI-gestützten Technologien und wie gut sind sie geeignet für Menschen mit Behinderung beim Arbeiten und/oder Lernen? Dies ist die Kernfrage, welche der KI.ASSIST-Teilbereich „Monitoring“ im Verlauf des Projektes beantworten möchte.

Erster Schritt ist die systematische Suche und Erfassung von bei der Arbeit und Ausbildung unterstützenden Technologien mit KI-Komponenten, die sich an Menschen mit Behinderung richten oder aber richten könnten. Grundlage für diese Recherche ist eine im Projektverbund entwickelte Such-, Beschreibungs- und Bewertungssystematik.

Die recherchierten Technologien werden im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Ziel ist ein Überblick über den Stand der Entwicklungen und des Einsatzes KI-gestützter Assistenztechnologien.

Der zweite Schritt ist die Validierung, d.h. ausgewählte Technologien werden hinsichtlich ihrer Eignung für Menschen mit Behinderung am Arbeits- oder Ausbildungsplatz bewertet. Hierzu wird ein Panel mit ca. 100 Inklusions- und KI-Expertinnen und Experten aufgebaut. Diese nehmen an verschiedenen Erhebungen teil, z. B. an leitfadengestützten telefonischen Interviews oder einer Online-Befragung. Die  Expertinnen und Experten bewerten hier anhand eigener Erfahrungen die Eignung von steckbriefartig vorgestellten Technologien, diskutieren Einflussfaktoren auf die erfolgreiche Einführung KI-gestützter Assistenztechnologien und zu erwartende Probleme sowie Trends.

Ergebnisse dieser Bewertung im zweiten Schritt sind zum einen eine Long- und Shortlist potenziell geeigneter KI-gestützter Technologien und zum anderen identifizierte Problemfelder, Trends und Einflussfaktoren für die Einführung solcher Technologien in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation.

Der dritte Schritt widmet sich der Beantwortung einer weiteren zentralen Forschungsfrage im Cluster “Monitoring”: Welche KI-gestützten Assistenztechnologien sind unter welchen Voraussetzungen am vielversprechendsten bzw. werden zukünftig mit großer Wahrscheinlichkeit relevant?

Im Foresighting entwickeln ausgewählte Panel-Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Grundlage der Ergebnisse aus der Validierung (Interviews, Online-Befragung) in einem Workshop Szenarios von KI-gestützten Assistenztechnologien in der beruflichen Rehabilitation. Diese Szenarios werden im Anschluss in einer Real-Time-Delphi-Befragung durch das gesamte Panel bewertet und diskutiert. Die Ergebnisse sind validierte, wahrscheinliche Szenarien, welche KI-gestützten Technologien in Zukunft relevant und realistisch einsetzbar sind in der beruflichen Rehabilitation.

Im Teilbereich Transformation des Projekts KI.ASSIST wird der Frage nachgegangen, wie Veränderungsprozesse zu gestalten sind, damit Menschen mit Behinderung von KI-gestützten Assistenzsystemen in der beruflichen Rehabilitation und bei der Arbeit profitieren können. Ziel ist es, ein Modell für Transformationsprozesse und davon ausgehend Handlungsempfehlungen zur Entwicklung, Einführung und dem langfristigen Einsatz von KI-gestützten Assistenzsystemen für Menschen mit Behinderung auch über das Projekt KI.ASSIST hinaus zu erarbeiten.

Dabei richtet sich der Blick des Clusters Transformation auf Veränderungsprozesse bei der Einführung und dem Einsatz von KI-gestützten Assistenzsystemen in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und Unternehmen, aber auch auf die Strukturen, Prozesse und Akteure der beruflichen Rehabilitation sowie auf politische, ethische und rechtliche Rahmenbedingungen der Transformation.

Dazu werden einerseits vorhandene Studien und Empfehlungen zu Transformationsprozessen systematisch recherchiert und ausgewertet. Andererseits werden Interviews mit Experten und Expertinnen aus der Forschung, von Verbänden, beteiligten Akteuren und Akteurinnen in der beruflichen Rehabilitation (z.B. Rehabilitationsträger, Integrationsämter, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation) sowie Unternehmen geführt. Außerdem werden Erkenntnisse aus anderen Teilbereichen des Projekts (z.B. Monitoring, Exploration, Kompetenzen) zur Beantwortung der Forschungsfragen im Bereich Transformation herangezogen. Darüber hinaus setzt sich eine Expertengruppe mit ethischen Fragen auseinander.

Die Nationale Dialogplattform stellt einen wichtigen Baustein des Projekts dar. Mit ihren Informations-, Dialog- und Partizipationsformaten sollen ganz unterschiedliche Gruppen erreicht werden, von Menschen mit Behinderung, über Experten aus Wissenschaft und Forschung bis hin zur breiteren Öffentlichkeit. Im Vordergrund steht der Austausch um die Potenziale von Künstlicher Intelligenz für die Gestaltung einer inklusiven Arbeitswelt.

Nach außen stellt die KI.ASSIST-Webseite ein zentrales Element der Dialogplattform dar. Sie macht die Themen und Aktivitäten im Projekt allen Interessierten zugänglich. Hier werden auch die in den unterschiedlichen Teilbereichen des Projekts erarbeiteten Handlungsempfehlungen veröffentlicht, die einen Erfahrungs- und Wissenstransfer in andere Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation möglich machen. Für die Projektteams der Lern- und Experimentierräume sowie die im Projekt aktiv mitarbeitenden Experten und Expertinnen bietet zudem der interne Bereich der Webseite die Möglichkeit, sich in Arbeitsgruppen zu organisieren und Erfahrungen auszutauschen. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Phasen der Konzeption und Umsetzung der Lern- und Experimentierräume mit verschiedenen - zum Teil digitalen - Workshops und Partizipationsangeboten begleitet.

Alle Ergebnisse des Projekts sollen darüber hinaus auf Fachveranstaltungen und einem Nationalen Gipfel als Abschlussveranstaltung vorgestellt werden. Hier können sie mit Vertretern und Vertreterinnen der Arbeitgeberverbände, der Gewerkschaften, Wissenschaftsakademien, Fachpolitik, der Digital- und IT-Verbänden, Unternehmen sowie des Netzwerkes berufliche Rehabilitation diskutiert werden.